Europas Milliarden für KI –
bitte clever ausgeben!

13. Februar 2025

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Matthias

109 Milliarden in Frankreich. 150 oder gar 200 Milliarden in Europa … Der KI-Gipfel in Frankreich spart nicht mit Superlativen.

In den letzten Tagen überschlagen sich die Nachrichten zu geplanten europäischen Investitionen in KI. Endlich zeigt sich eine gewisse Entschlossenheit und Bereitschaft, dass wir uns in Europa nicht weiter abhängen lassen und nicht weiter in Abhängigkeit begeben wollen. Das kommt spät. Ist aber trotzdem ein deutliches Zeichen und Anlass für Optimismus.

Ob es jetzt 109, 150, 200 oder noch eine andere Zahl an Milliarden EUR ist, ist erst mal nicht so wichtig. Die Zahl ist auf jeden Fall gigantisch und so vorher nicht im Ansatz dagewesen. Ist damit die Kuh vom Eis? Ich schätze mal nicht: Jetzt geht die Arbeit so richtig los und die Weichen müssen erst gestellt werden. Das Momentum muss möglichst gut genutzt werden.

Viel Geld sinnvoll auszugeben ist sehr schwierig

Sehr viele wünschen sich, sehr viel Geld zu haben. Unendliche Möglichkeiten scheinen sich zu ergeben. Fast niemand ist aber in der Situation, dann wirklich sehr viel Geld zur Verfügung zu haben und wirklich einsetzen zu können. Außer vielleicht philanthropischen Milliardären.

Das Geld soll ja nicht nur ausgegeben werden, sondern es soll möglichst viel Output erzielen und das auch noch möglichst schnell. Und das ist ganz schön schwierig!

Die Erfahrung z.B. aus Forschungs-Clustern oder Großprojekten mit zu vielen Beteiligten zeigt, dass es alles andere als einfach ist, viel Geld sinnvoll in Ergebnisse und Fortschritt umzusetzen.

Es ist sehr wahrscheinlich viel schwieriger, als die Zusagen für das Geld erst mal zu bekommen.

Was ist also die Strategie, die mit dieser riesigen Geldmenge verfolgt wird?

Wo in der Wertschöpfungskette setzen wir an?

  • Chip-Produzenten aufbauen?
  • Rechenzentren aufbauen (es ist von 4 KI-Giga-Factories die Rede)
  • Large-Language-Basismodelle bauen?
  • KI-Anwendungen bauen? In welcher Branche und mit welcher Zielsetzung?

Wie viel „digitale Souveränität“ wollen wir erreichen oder uns leisten?

Wie bekommen wir das alles mehr oder weniger gleichzeitig gestartet? Wir sind schließlich schon spät dran …

Wer bekommt Geld für welches Geschäftsmodell und wie entsteht ein Ökosystem von Firmen, die voneinander profitieren und das Wachstum weiter antreiben?

Was davon finanzieren staatliche Stellen und wo sollte Venture Capital hinfließen?

Es steht hier eine gewaltige Gestaltungsaufgabe vor Europa. Die einerseits schnell und andererseits gut gemacht werden muss. Unter ständigem Zerren von Regulatorik und verschiedensten Partikularinteressen!

Nicht zu viel Vorgabe, aber auch nicht alles laufen lassen. Das ist eine ganz andere Aufgabe, als eine Airline zu gründen. Das gerne zitierte Vorzeigebeispiel Airbus ist ein toller Erfolg, aber doch in vielen Aspekten sehr anders als die aktuelle Aufgabe im Bereich KI!

Das Geld muss auch wirklich fließen

Das Geld ist natürlich noch nicht in einem Topf zum Ausgeben. Es sind eher Zusagen aus unterschiedlichsten Ecken von Staaten und Unternehmen, inklusive institutionellen Investoren.

Es ist eine großartige Leistung, in vergleichsweise kurzer Zeit dieses Momentum zu erzeugen und Commitment einzuholen.

Es darf uns aber nicht passieren, dass wegen eines schlechten Starts und schleppenden Vorankommens die geplanten Investitionen dann doch nicht fließen. Gerade wo privates Kapital fließt, da wird auch auf lukrative Renditen geschaut. Und wenn diese nicht mehr wahrscheinlich erscheinen, dann ist es mit dem Geld genauso schnell vorbei wie es versprochen wurde.

Nur eine Chance …

Jetzt kommt es darauf an. Europa muss es schaffen, hier wirklich etwas Substantielles zu schaffen. Kleine Erfolge bringen kaum etwas.

Einerseits sind wir sowieso schon spät: Wir können also nicht mehrere Anläufe nehmen.

Andererseits darf das Vorhaben keine Risse bekommen: Sonst ziehen sich die Geldgeber ganz schnell wieder zurück und aus einem großen Vorhaben wird ein zahnloser Tiger.

Es gibt genügend Beispiele, wie man es nicht machen sollte. Eines davon ist GAIA-X. Auch mit guten Intentionen gestartet, initiiert aus Frankreich und Deutschland. Mit großen Ideen, breiten Expansionsansprüchen. Und sehr dürftigen Ergebnissen nach vielen Jahren. Sodass kaum noch jemand dran glaubt. Das Geld ist aber trotzdem weg. Dort gab es auch wohlgemeinte Ziele, damals im Themenbereich Cloud-Computing angesiedelt. Es wurden aber sehr früh schon viele Entscheidungen getroffen, dass eigentlich niemand ernsthaft glauben konnte, dass es ein Erfolg wird. Das wollte aber niemand hören. Die Ehrlichkeit in der Debatte hat gefehlt. Natürlich darf nicht alles schlecht-geredet werden. Und Zweifler gibt es immer. Wenn es aber grundlegendste Design-Fehler im Ansatz gibt, dann muss darüber gesprochen werden und diese müssen eliminiert werden. Sonst wird das tote Pferd geritten, bis irgendwann das Geld ausgeht und trotzdem nichts erreicht ist. Nur sind dann Jahre vergangen und der Vorsprung auf die Spitzenreiter wurde nicht verringert, sondern hat sich vergrößert.

Clever agieren

Die Weichenstellung in der nächsten Zeit wird entscheidend sein.

Inhaltliche Zielsetzungen, Festlegungen von Schwerpunkten, Art der Zusammenarbeit, Aufbau eines sich gegenseitig unterstützenden Ökosystems, Festlegung von Freiheitsgraden und Vorgaben … das alles wird darüber entscheiden, ob wir für das viele Geld auch viel bekommen. Oder halt nicht.

Wir müssen die Stärken von Europa nutzen. Und für Staaten, Unternehmen, Start-ups, Geldgebern, Forschungseinrichtungen jeweils eine gute Rolle finden, sodass sich die Resultate ergänzen und multiplizieren und nicht einfach jeder Geld „abgreift“ und „verforscht“ (vor allem die großen etablierten Player), weil es gerade in ausreichendem Maße zur Verfügung steht.

Wer aufschließen will, muss schneller laufen als die da vorne! 

Gunther Dueck

Auf keinen Fall dürfen wir nur „nachbauen“, was in Amerika schon gebaut wurde. Damit werden wir nämlich niemals in manchen Bereichen eine relevante oder gar führende Position kommen. Die anderen bauen nämlich in der Zwischenzeit weiter und warten nicht, bis wir aufgeholt haben. Dafür haben sie sogar noch mehr Geld zur Verfügung als wir.

Das wird auf keinen Fall gemütlich.

Es wird anstrengend. Sehr anstrengend.

Wir brauchen den Diskurs, die Diskussionsfreude, die Möglichkeit zu streiten.

Wir brauchen gute Ideen. Die werden auch riskant sein müssen. Und damit werden auch viele scheitern. Aber wir dürfen uns nicht nur vornehmen, was wir sicher erreichen oder vielleicht sogar schon in der Schublade haben.

Wir brauchen nicht den Willen zur unbedingten Harmonie, wo keiner dem anderen weh tun will und niemand den anderen kritisiert, weil man sonst vielleicht selbst kritisiert werden könnte. Davon hatten wir schon genug in den letzten Jahren. Und das macht es noch schwerer, es jetzt anders zu machen.

Aber wir müssen!

Matthias

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