Konsolidierung statt blindem Hype-Aktionismus

6. Februar 2025

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Full Flamingo

Diese Woche waren wir auf der OOP 2025 in München und sind total vom aktuellen Trend begeistert: Es gibt nämlich keinen neuen Trend.

Natürlich war KI auch bei dieser Konferenz wieder ein häufiges Thema: Allerdings im Vergleich zu den letzten Jahren auf einem deutlich reflektierteren Niveau. KI wurde nicht blind, wie manchmal in der jüngeren Vergangenheit, als neue Sau durchs Dorf getrieben und in blindem Aktionismus als Heilsbringer in die IT-Welt getragen. Die Sprecherinnen und Sprecher haben vielmehr das Thema viel differenzierter betrachtet und sehr konkrete Anwendungen, vor allem auch im Kontext der Unterstützung von Software-Engineering beleuchtet. Dabei haben sie zahlreiche Disziplinen des Software-Engineering vom Digital Design über Software-Architektur und Legacy-Migration bis hin zu Test-Automatisierung abgedeckt.

Was uns sehr gut gefallen hat ist, dass der Einsatz vieler bekannter „Hyper-Trends“ wie Microservices, Cloud oder selbst Agile jetzt in einer Phase der Konsolidierung sinnvoll und pragmatisch betrachtet wird. Das hat sich in vielen Vorträgen gezeigt, sodass dies für uns im Rückblick das „inoffizielle Motto“ der OOP ist. Passt doch auch sehr gut zum offiziellen Motto „Bridging the Gap“. Einige dieser Vorträge wollen wir hier besonders erwähnen.

Stefan Toth und Falk Sippach haben in ihrem Vortrag “Modernisierung in der Praxis: Modulith statt Microservices?“ mit viel Tiefgang ein realistisches Beispiel aus der Praxis gezeigt, in dem eine Modernisierung anstand und als Architekturstile sowohl Modulith als auch Microservices in der Auswahl waren. Durch die Kontrastierung dieser beiden Architekturstile konnten die beiden sehr schön die Vor- und Nachteile von Microservices herausstellen und diese wurden viel plastischer, als dies in vielen Vorträgen der letzten Jahre der Fall war. Interessant ist schon, dass „Modulith“ schon fast als kleiner Trend daherkommt, aber er war in diesem Vortrag perfekt eingeordnet. Wenn man genauer hinschaut, manifestiert sich darin aber hauptsächlich gutes Architekturdesign, das man schon vor vielen Jahren genau so machen konnte. Und einige Teams haben das auch schon vor langer Zeit so gemacht. Damit waren sie nur lange Zeit ziemlich „uncool“ und jetzt ist der Modulith ein anerkannter Architekturstil. Schön, dass dieser Vortrag dazu beiträgt, mehr reflektierte Betrachtung zu verbreiten.

Lars Röwekamp hat sich in seinem Vortrag „From Zero to still Zero: die schönsten Fehler auf dem Weg in die Cloud“ das Thema Cloud Computing vorgenommen. Auch Cloud Computing hat schon eine lange Reise auf dem Hype Cycle hinter sich und ist in vielen Firmen zu einem etablierten Paradigma geworden. Lars hat wie immer mit viel Tiefgang das Thema sehr anschaulich aufbereitet und die Zuhörer auf eine Reise der Modernisierung Richtung Cloud-Applikation mitgenommen. Dadurch konnte er sehr geschickt Schritt für Schritt die Konzepte moderner Cloud-Architekturen einführen und jeweils die dadurch erreichten Vorteile herausarbeiten, aber auch wie viel Aufwand damit verbunden ist und welche möglichen Nachteile. Jenseits allen Hypes hat Lars zahlreiche Konzepte eingeführt, gezeigt wie sie in verschiedenen konkreten Clouds wie AWS oder Azure heißen und auch Themen wie Vendor-Lockin geschickt integriert. Damit konnte er sowohl zeigen, wie viel man mit Cloud-Computing erreichen kann (vor allem im Bereich Speed / Time-to-Market) und wie viel Aufwand und nötige Erfahrung aber auf der Gegenseite auch nötig ist, um diese Vorteile wirklich zu nutzen.

Michael Plöd hat einen tollen Vortrag „Visualisierungstechniken für soziotechnische Architekturen“ gehalten. Während das Thema „Team Topologies“ gerade noch als Trend durchgeht, hat es Michael geschafft, das Thema extrem geerdet, pragmatisch und nützlich in den größeren Kontext zu integrieren. Die Kombination von Sichten zur Darstellung von Aspekten von Business, Organisationen und Software-Architektur ist extrem hilfreich und fehlt tatsächlich meist in der Praxis. Michael hat toll den Bedarf dafür motiviert und Möglichkeiten aufgezeigt, wie jeder schnell passende Darstellungen basierend auf existierenden Frameworks wie Arc42, DDD, Team Topologies oder unFix kreieren kann. Und damit Analyse und Kommunikation auf ein neues Level heben kann.

Claudia Nass hat in ihrem Vortrag „Integration Generativer KI in Nutzerzentriertes Design (UCD): Potenziale und Herausforderungen“ einen Einblick in die wöchentlich anwachsende Menge an KI-Tools für den Einsatz im Digital Design gegeben. Es ist faszinierend, welche Möglichkeiten es zur Erstellung von Zielgruppenprofilen, Anforderungsgenerierung, UI Generierung auf Text und Skizzenbasis, Emotionsmessung in der Evaluation oder Heat-Map-Generierung gibt. Und das sind nur einige Themen, die in ihrem Vortrag behandelt wurden. Der Vortrag hatte explizit das Ziel, die prinzipiellen Möglichkeiten aufzuzeigen, die es momentan schon gibt. Ob man diese Tools einsetzen sollte oder ob man sie unter dem EU AI Act überhaupt einsetzen darf, wurde bewusst nicht besprochen. Aber in der anschließenden Fragerunde heftig diskutiert. Schaut euch den Vortrag unbedingt mal an, wenn ihr die Gelegenheit dazu habt.

Das Thema Agile und Leadership kam direkt in zahlreichen Vorträgen vor, z.B. bei Björn Jensen in „Descaling Leadership: Wie Führungskräfte das Scheitern beim Skalieren verhindern und es richtig machen“. In diesen Vorträgen war die Ebene der Betrachtung häufig eher systemischer Natur – Systems Thinking hatte eine tolle Präsenz und Russell Ackoff als einer der Gründerväter wurde in zahlreichen Vorträgen zitiert. Z.B. auch in der sehr schönen Keynote „Mindshifts: Thriving in the Systems Age“ von Diana Montalion . Die übergreifende Betrachtung von entwickelten Systemen und Organisationen wurde jenseits allen Hypes herausgestellt und somit rückt „good old Software Engineering“ wieder in den Fokus wie lange nicht.

Auch dieses Jahr war es wieder soweit: Donnerstag – 17:00 Uhr – Dueck Time. Gunther Dueck hat wie immer in phantastischer Weise den Finger in die Wunde gelegt und gleichzeitig ermahnt und ermutigt, dass wir in Deutschland endlich ganz konkret ins Machen kommen müssen. Es gibt so viele Probleme, die es erfordern, sie mit Mut anzugehen. Und dazu klappt weder „das haben wir schon immer so gemacht“ und auch kein blinder Aktionismus, der Hypes hinterherläuft. Vor allem braucht es gesunden Menschenverstand und kein Versteckspiel zwischen vielen Management-Ebenen.

Auch wir durften mit einem Vortrag dabei sein: Marcus hat mit dem Vortrag „Beispielhafter Erfolg & Beispiellose Niederlage – gute Beispiele überbrücken Verständnislücken“ auf mitreißende und humorvolle Art ein Thema jenseits aller Hypes und Trends aufgegriffen: Die Wichtigkeit guter Beispiele. Nur mit guten Beispielen, die nicht zu groß und nicht zu klein und gleichzeitig spezifisch und realitätsnah sind, kann man erfolgreich kommunizieren. Das hat Marcus womit gezeigt? Natürlich mit vielen Beispielen! Und vor allem: Wenn es nicht gelingt, ein gutes Beispiel zu finden, dann stimmt in den allermeisten Fällen mit dem zu verdeutlichenden Konzept etwas noch nicht.

Wir hatten, wie immer, viel Spaß auf der OOP und haben viele Impulse mitgenommen. Und wir freuen uns schon auf die nächste Ausgabe. Dann gerne wieder ohne großen Hype, aber mit vielen soliden Themen rund um alle Facetten von Software Engineering.

Matthias & Marcus

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