Produkt Demos haben eigentlich immer Event-Charakter. Selbst wenn nur ein neues Feature eines schon lange existierenden Produkts vorgestellt wird, ist es immer wieder aufregend, wenn wir es zum ersten Mal sehen. Manchmal bekommen wir aber auch ein völlig neues Produkt zu sehen, von dem wir zuvor nur gehört haben. Das ist dann natürlich noch viel aufregender.
Leider sind die meisten Produkt Demos aber sehr enttäuschend. Oft sogar langweilig. Das liegt aber in den meisten Fällen gar nicht am neuen Produkt oder am neuen Feature. Sondern an der Art und Weise, wie die Demo durchgeführt wird. Daher möchten wir in diesem Beitrag an einem konkreten Beispiel zeigen, wie Produkt Demos gemacht werden sollten und wie sie bitte nicht (mehr) gemacht werden sollten.
Bitte so machen!
Wenn wir eine Produkt Demo veranstalten, dann möchten wir immer jemanden von unserem Produkt (oder dem neuen Feature) begeistern. Manchmal ist das nur eine Person, aber meistens ist eine mehr oder weniger große Gruppe. Wir haben lange an dem Produkt gearbeitet und möchten diese Menschen nun mit der Demo überzeugen, z.B. die tatsächliche Entwicklung des Produkts freizugeben (wenn ein Prototyp gezeigt wird), das Produkt abzunehmen (damit es veröffentlicht werden kann) oder das Produkt für sich selbst oder ihr Unternehmen zu kaufen. Dazu müssen wir es mit unserer Demo schaffen, das Interesse unseres Publikums zu wecken. Egal ob wir vor Externen (öffentlich) präsentieren oder In-House, in der eigenen Abteilung oder im eigenen Unternehmen. Egal ob das Publikum bei uns im Raum ist oder nur online zusieht. Egal ob live oder im Nachgang als Video.
Genau das hatte auch Apple am 9. September 2014 vor. An diesem Tag wurde die lang erwartete Apple Watch zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert. Im Rahmen des regulären Apple September Events kündigte Tim Cook nach 55 Minuten an, dass er noch ”One more thing…” zu zeigen hat. Tim erklärte zunächst einige Minuten, wie und warum die Apple Watch entwickelt wurde, und zeigt einige Bilder und Videos dazu. Dann betritt Kevin Lynch die Bühne, um die weltweit erste Live Produkt Demo durchzuführen. Um es nochmal klarzumachen: niemand im Publikum (im Saal oder Online) hat jemals eine Apple Watch in die Hand genommen, niemand hat jemals eine Apple Watch selbst benutzt oder auch nur gesehen, wie irgendjemand eine Apple Watch benutzt. Kevin legt direkt los:

Er nutzt eine Apple Watch, die live auf einer großen Präsentationsfläche zu sehen ist. Im Split-Screen kann das Publikum daneben sehen, wie er die Watch bedient. Dazu erklärt er parallel, was er gerade macht und was dann passiert:
- „Meine Apple Watch wird über mein gekoppeltes iPhone Teil des Apple Ökosystems.“
Ohne eigenes iPhone kann die Apple Watch (zu diesem Zeitpunkt) nicht benutzt werden. Das macht Kevin mit wenigen Worten direkt klar und stellt das auch nicht in Frage. Es ist einfach so. - „Wenn ich die Digital Crown drücke, hier oben rechts, komme ich direkt zu meinen Apps. Ich kann die Apps natürlich selbst anordnen. Das ist ganz einfach.“
Kevin zeigt und sagt auch explizit, wie einfach es ist, zu den installierten Apps zu kommen. Nur einmal einen Knopf, die Digital Crown, drücken. Er benutzt auch immer wieder die neuen Begriffe, die Apple in unseren Köpfen verankern muss. Niemand wusste zuvor, was eine Digital Crown ist. Er sagt uns auch, dass wir unsere Apps nach unserem Belieben anordnen können. Das glauben wir sofort, und es ist völlig in Ordnung für uns, dass Kevin uns nicht direkt zeigt, wie das geht. - „Ich kann auch schnell einen Überblick über alle meine Apps bekommen. Dazu zoome ich einfach mit der Digital Crown heraus.“
In wenigen Sekunden, hat Kevin die beiden Funktionen der Digital Crown gezeigt. Wir können sie drücken und zum Zoomen daran drehen.
BAM! Schon fertig. Die ersten Features der Apple Watch sind demonstriert. Natürlich zeigt Kevin in den nächsten Minuten noch weitere Features. Aber immer nach dem gleichen Schema und auf die gleiche Art und Weise.
Allein diesem kurzen Auszug können wir aber schon viele gute Eigenschaften einer guten Produkt Demo entnehmen.
Kevin spricht immer aus der Ich-Perspektive: „mein iPhone“, „ich bekomme einen Überblick“, „meine Apps“. Damit macht er das Produkt sofort persönlich. Es ist nicht irgendein Produkt, sondern seins. Und damit irgendwie auch schon fast unseres. Wir können uns damit gut vorstellen, wie das bei unserer eigenen Watch und unseren Apps wäre.
Kevin verlässt sich auch nicht darauf, dass dem Publikum schon auffallen wird, wie einfach die Bedienung ist. Er spricht es direkt immer wieder an. Dabei ist er sich auch nicht zu schade, selbst einfache (offensichtliche) Dinge zu erklären. Er sagt „ich drücke hier oben rechts“, auch wenn dies die einzige Möglichkeit ist, die überhaupt gedrückt werden kann.
Wir können im Split-Screen mitverfolgen, wie Kevin die Watch bedient. Damit lernen wir schon mal für unsere eigene erste Benutzung vor. Viele Apple Produkte können wir direkt benutzen, sobald wir sie zum ersten Mal in der Hand haben. Ihre Benutzung kommt uns intuitiv vor. Das liegt auch daran, dass wir schon oft gesehen haben, wie sie von anderen benutzt wurden. Apple veröffentlicht daher immer wieder Werbe-Clips, die nur ein einziges Feature demonstrieren. Wenn wir die oft genug gesehen haben, dann prägt sich das ein. Intuition ist das unterbewusste Anwenden von bereits existierendem Wissen. Wenn du ausprobieren möchtest, wie intuitiv Apple Produkte zu benutzen sind, wenn man noch gar nichts über sie weiß, dann gib mal einen iPod classic ab der 4. Generation (also alle mit Click-Wheel) einer Person in die Hand, die nicht weiß, was ein iPod ist. Dann lass sie mal einen bestimmten Song abspielen. Wenn dir diese Erfahrung noch nicht ausreicht, dann frage die Person mal, wie man den Song jetzt wieder stoppt. Nicht paussiert. Stoppt. Viel Spaß dabei.
Zurück zur Apple Watch Demo. Der wichtigste Punkt ist die Kürze und die Prägnanz der Demo: Das ist die Apple Watch. Die Apps kommen von einem gekoppelten iPhone. Sie hat eine Digital Crown, die man so benutzt. PUNKT. In wenigen Sekunden können wir uns als Publikum direkt vorstellen, wie wir das Produkt selbst benutzen. Wie wichtig dieser Punkt ist, möchten wir mit dem folgenden Gegenbeispiel zeigen.
Bitte so NICHT machen!
Nachfolgend haben wir eine fiktive Produkt Demo für die reale Apple Watch erstellt. Die Demo hat das gleiche Ziel wie im oben gezeigten Beispiel. Es geht somit nicht um die vollständige Produkt Demo. Das Publikum soll nur sehen, wie Apps auf der Apple Watch angezeigt werden können. Diesmal haben wir uns aber an typischen Produkt Demos orientiert, die wir über die Jahre immer wieder miterlebt haben. Du wirst dich sicherlich an die eine oder andere Demo erinnert fühlen, an der du selbst teilgenommen hast. Dabei ist uns wichtig, dass du weißt, dass wir nichts erfunden haben. Alles, was wir hier gleich zeigen, entspricht der echten Apple Watch und iPhone Software. Das wird jetzt leider ein bisschen länger und tut beim Lesen auch ein bisschen weh. Es entspricht somit aber leider einer typischen Produkt Demo.

Wir stellen uns jetzt also mal vor, dass wir in einem Raum sind, in dem uns zum ersten Mal die nagelneue Apple Watch präsentiert wird. Der Raum ist wahrscheinlich nicht so fancy, wie der von Apple. Es kommt auch nicht Kevin Lynch. Aber auch hier zeigt uns jetzt irgendein Kevin die weltweit erste Demo der Apple Watch. Kevin legt direkt los:
- „Zuerst muss man sich in das iPhone einloggen, mit dem man die Watch koppeln will.“
Hier fängt das Problem typischer Produkt Demos schon direkt an. Allein über diesen Punkt könnte ich einen separaten Beitrag schreiben (und werde das wohl irgendwann auch mal machen). Warum bitte, fängt gefühlt jede Demo (in Deutschland) immer damit an, dass man sich irgendwo einloggen muss? Sei ehrlich, das siehst du auch bei (quasi) jeder Demo. Es sollte aber wirklich niemand sehen, wie man sich irgendwo einloggt. Niemand. Am besten noch mit einem 26-stelligen Passwort und mit Zwei-Faktor-Authentifizierung (alles schon gesehen). Gerne vertippt sich Kevin dann noch, weil er ja so aufgeregt ist. Dann sehen wir den Login-Vorgang gleich mehrfach. Niemand sollte das sehen müssen.
Natürlich müssen wir uns meistens irgendwo einloggen, damit das Produkt genutzt werden kann. Aber darum geht es doch jetzt nicht in der Produkt Demo. Wir glauben dem Entwicklungsteam ungesehen, dass es in der Lage war, eine funktionierende Login-Funktion zu bauen. Gerne ist der Login-Screen aber auch noch hässlich wie die Nacht. Muss zusätzlich zum Passwort auch ein Login-Name angegeben werden, dann ist das natürlich in der Regel kein realistischer Name, sondern „Demo_User_4“ oder ähnlich abstrakt. Das höchste der Gefühle ist noch „Max Mustermann“. - „Dann schaltet man die Watch ein und hält sie nah an das iPhone.“
Völlig unpersönlich geht es direkt weiter. „Man“ tut dies und „man“ tut das. Es ist auch nicht „mein iPhone“ oder „meine Apple Watch“, sondern „das iPhone“ und „die Apple Watch“. Als hätte Kevin Angst davor, persönlich verantwortlich dafür gemacht zu werden, wenn bei der Präsentation „seiner Apple Watch“ etwas schief geht. Lieber mal das Produkt auf Abstand halten. - „Dann startet man die „Apple Watch“ App.“
Jetzt bekommen wir gezeigt, wie man eine App auf dem iPhone startet. Sowas haben wir natürlich noch nie gesehen. Daher hängen wir Kevin gebannt an den Lippen, während er aus den den unzähligen Apps auf dem Demo iPhone erst mal die richtige App heraussucht (gerne aus irgendeinem Unterordner auf dem 5. App-Screen) und startet. #sarkasmus - „Dann wählt man die Option „Start Pairing“ aus.“
Kevin zeigt uns, dass wir jetzt die einzige verfügbare Aktion auf dem Start-Screen der App auswählen. Zum Glück. Denn gerne wird bei solchen Gelegenheiten noch gezeigt, dass es hier eigentlich auch noch die Option gibt, noch mehr über die Apple Watch zu erfahren. - „Die Watch zeigt jetzt eine Animation an. Die Animation muss man jetzt mit dem iPhone abfilmen.“
Jetzt sehen wir, wie Kevin mit dem iPhone die Animation auf dem iPhone abfilmt. Die App ist glücklicherweise von Apple selbst und muss daher nicht noch um Erlaubnis fragen, ob die Kamera benutzt werden darf. Sonst würde uns das nämlich auch noch gezeigt. - „Watch und iPhone sind jetzt gekoppelt. Jetzt wählt man „Set Up as New Apple Watch“ aus.“
Puh. Das iPhone und die Apple Watch sind gekoppelt. Das scheint was Gutes zu sein. Ist dir eigentlich aufgefallen, dass uns Kevin überhaupt nicht erklärt hat, warum das überhaupt gemacht werden muss? Er fängt direkt damit an, dass die Kopplung jetzt gemacht werden muss. Als wäre es selbstverständlich. Kein Wort darüber, dass die Watch damit ins Apple Ökosystem aufgenommen wird. Auch kein Wort dazu, dass ein iPhone die Voraussetzung für die Nutzung der Apple Watch ist. Erst recht kein Wort darüber, dass dies sogar etwas Gutes ist.
Kevin setzt einfach voraus, dass dies ja wohl jedem klar ist. Ist es aber nicht. Wir sind bei der Präsentation eines völlig neuen Produkts. Im Gegensatz zu Kevin waren wir nicht monate- oder gar jahrelang an der Entwicklung beteiligt. Was für ihn völlig klar ist, ist für uns leider überhaupt nicht klar.
Kevin erklärt uns jetzt, dass wir die Apple Watch zwar auch aus einem früheren Backup wiederherstellen können, aber wir jetzt die Option auswählen, die Apple Watch neu aufzusetzen. Auch das ist wieder typisch: Die Backup-Funktion wird zwar beschrieben, aber das macht für uns halt momentan überhaupt keinen Sinn. Denn wenn wir uns eine Apple Watch nach dieser Weltpremiere kaufen, dann werden wir sie beim ersten Mal auf keinen Fall aus einem Backup wiederherstellen. Wie denn auch. - „Jetzt muss man bestätigen, dass Watch und iPhone die angezeigten Einstellungen teilen dürfen.“
Selbstverständlich achtet Kevin darauf, dass jede regulatorische (Zwangs-) Information auch in der Demo vollständig gezeigt wird. Vor allem, wenn es um (Informations-) Sicherheit geht. Da möchte er sich nichts zu Schulden kommen lassen. - „Jetzt muss man einen 6-stellingen Passcode für die Watch erstellen. Längere Codes sind auch möglich.“
Jetzt zeigt uns Kevin, dass wir selbstverständlich auch die Apple Watch mit einem Passcode schützen können. Denn alles, was mit Sicherheit zu tun hat, ist (in Deutschland) super wichtig und muss gezeigt werden. Und da haben wir mal wieder Glück, dass sich Kevin wenigstens nicht für die Option des langen Passcodes entscheidet. Natürlich wählt er nicht die Option aus, ohne Passcode fortzufahren. Denn das wäre ja unsicher. Selbst für die Demo. Was uns Kevin leider weder zeigt noch sagt, ist, dass wir den Passcode in Wirklichkeit eigentlich nie fummelig auf der Apple Watch eingeben müssen. Denn mit dem Entsperren unseres iPhones können wir (optional) ganz einfach und vollautomatisch auch die Apple Watch entsperren. Aber das erscheint Kevin wohl auch zu unsicher. Kevin zeigt uns somit gerade eine sperrige Funktion, die in unserer späteren Benutzung der Watch (quasi) keine Rolle spielt. - „Den Code muss man auf der Watch eingeben. Und natürlich nochmal, zur Bestätigung.“
Kevin zeigt uns jetzt, dass „man“ den Passcode auf der Apple Watch eingeben muss. Auch bei solchen Aktionen vertippt sich der Präsentator aus Aufregung sehr gerne und dann sehen wir auch diesen Login-Vorgang mehrfach.
Apropos sehen: Im Gegensatz zur Apple Demo sehen wir hier in unserer Demo natürlich nur den jeweiligen Screen des iPhones oder der Apple Watch. Wir sehen nicht in Großaufnahme im Split-Screen, wie Kevin die Geräte tatsächlich bedient. Wir sehen nur aus mehr oder weniger großer Entfernung, dass Kevin die Geräte in der Hand hat und auf ihre Screens starrt, während er mit uns redet. - „Jetzt muss man noch einige Dinge einstellen. Zuerst das Handgelenk zum Tragen der Watch auswählen.“
Als nächstes zeigt uns Kevin einige notwendige Einstellungen, die gemacht werden müssen, wenn die Apple Watch zum ersten Mal konfiguriert wird, z.B. an welchem Handgelenk die Apple Watch getragen wird, … - „Dann auswählen, ob die Digital Crown links oder rechts getragen wird.“
… und auf welcher Seite die Digital Crown platziert werden soll. Selbstverständlich gibt es bei fast jedem Produkt einige Einstellungen, die beim initialen Einrichten vorgenommen werden müssen. In einer Produkt Demo sollte das doch aber niemand zu sehen bekommen. Keiner will sehen, wie die man die Server-Daten für sein E-Mail-Konto eingeben muss, wenn ein neuer Mail-Client vorgestellt wird. Das reißt niemanden vom Hocker, und damit kann man auch keinen Blumentopf gewinnen. Man muss zeigen, warum der neue Client so viel geiler ist als alle existierenden.
Selbst wenn man solche Einstellungen in der ersten Demo unbedingt zeigen muss, weil es ja super (Watch-) Personalisierungsmöglichkeiten sind, dann doch auf keinen Fall als erstes direkt am Anfang. Sondern irgendwann viel später, wenn man das Publikum bereits begeistert hat. - „Dann werden die aktuellen „Terms and Conditions“ angezeigt.“
Begeistert sind wir übrigens auch nicht von der Präsentation der aktuellen Vertragsbedingungen, … - „Denen muss man dann natürlich zustimmen.“
… denen wir sowieso blind zustimmen. Also muss Kevin sie uns auch nicht zeigen. Ist aber natürlich wieder eine regulatorische Vorgabe. Da will er ja nichts falsch machen. - „Es gibt auch eine SOS-Funktion. Hier kann man angeben, wer beim Auslösen kontaktiert wird.“
Kevin betritt jetzt einen Pfad, den wir leider auch in fast jeder Produkt Demo erleiden müssen. Eigentlich möchten wir (hier in unserem Beispiel) nur sehen, wie die Apps auf der Apple Watch angezeigt werden können. Aber anstatt dieses eine Feature so geil wie möglich vorzustellen, werden uns auf dem Weg dorthin noch 10-20 andere Features gezeigt. Ich habe schon viele Demos erlebt, in denen auf dem Weg zum Zeigen eines einziges Features, erst mal jedes Feature auf jeden Screen (im Detail) erklärt wurde, der auf dem Weg liegt.
Kevin, wie auf viele andere Präsentatoren, nehmen gerne jede Gelegenheit war, weitere Features zu zeigen. Natürlich hat das Team lange daran gearbeitet. Natürlich sollen auch diese Features irgendwann gezeigt werden. Aber eben jedes für sich. Jedes zu seiner Zeit. Jedes mit seiner eigenen Motivation. Man weiß oftmals gar nicht mehr, worum es im Kern eigentlich geht, vor lauter Abzweigungen im Erzählstrang.
Natürlich ist es super, dass die Apple Watch eine SOS-Funktion hat. Aber die initiale Einrichtung interessiert das Publikum jetzt und hier gerade nicht. Und hier zeigt unsere Storyboard-Abbildung noch nicht mal alle Screens, die dazu nötig sind. - „Jetzt kann man einstellen, welche Herz-Gesundheitsfunktionen geprüft werden sollen.“
Genial, dass die Apple Watch bestimmte Herz-Gesundheitsfunktionen überprüfen kann. Aber sowas muss eben in einer separaten Story erzählt werden. Auch hier zeigen wir wieder nicht alle Screens im Storyboard, die hier eigentlich gezeigt werden können. Und die in einer typischen Präsentation von Kevin dann auch gezeigt werden würden. - „Mit der Watch kann man auch kontaktlos bezahlen. Dazu muss man eine Karte hinterlegen.“
Egal wie hilfreich es auch ist, dass wir mit der Apple Watch auch kontaktlos bezahlen können. Hier wollen und müssen wir das nicht erklärt bekommen. - „Dazu einfach alle notwendigen Informationen zur Kreditkarte eingeben.“
Kevin zeigt und hier einen weiteren Screen, auf dem wir sehen können, dass wir die Daten zu unseren hinterlegten Kreditkarten eingeben müssen. Aber auch das wird hier wieder verkürzt dargestellt. In der echten Demo würde uns Kevin 100%ig auch eine weitere Option zeigen, die es uns erlaubt, die Karteninformationen direkt von der Karte abzuscannen. - „Jetzt noch schnell die Mobilfunk-Informationen eingeben, um nur mit der Watch zu telefonieren.“
Ja, es ist natürlich sogar unerwartet gut, dass wir auch ohne iPhone mit der Apple Watch telefonieren können (mit manchen Modellen zumindest). Dazu müssen wir aber auch erst noch alle nötigen Mobilfunkinformationen eingeben. Du weißt schon, was jetzt kommt: das wollen wir hier aber eben auch nicht sehen. Alles zu seiner Zeit. - „Jetzt kommt man schon zu den Apps, die man auf der Watch nutzen will.“
Erst jetzt kommt Kevin wieder zur ursprünglichen Story zurück. Jetzt geht es endlich um die Apps. Aber auch hier bleibt Kevin seinem Präsentationsstil wieder treu und wählt nicht die schnelle, einfache Option aus, einfach alle kompatiblen Apps auszuwählen, die auf dem iPhone installiert sind. - „Einfach schnell aus allen Watch-kompatiblen Apps auswählen, die auf dem iPhone installiert sind.“
Nein, Kevin will uns natürlich jede Personalisierungsmöglichkeit zeigen, die uns die Apple Watch bietet. Somit eben auch, dass wir die Apps auswählen können, die auf der Watch installiert werden sollen.
Und auch wenn Kevin hier behauptet, dass man das hier jetzt „einfach schnell“ machen kann. Wir sind mittlerweile an einem Punkt in der Demo angekommen, an dem uns überhaupt nichts mehr einfach vorkommt. Und schon gar nicht schnell. Leider zum Nachteil der gezeigten Features, die nämlich oft tatsächlich schnell und einfach zu bedienen sind. Aber eben jedes für sich. Und nicht als Teil einer epischen Story. - „Dann noch als Anzeigeoption für die Apps „Grid View“ oder „List View“ auswählen.“
Weder die möglichen Anzeigeoptionen als Liste oder Grid interessieren uns hier, … - „Jetzt kann man jede App noch an die gewünschte Position verschieben.“
… noch die an sich schöne Möglichkeit, die Anzeigeposition der Apps zu personalisieren. Kevin meint es bestimmt gut. Aber gut gemeint ist leider auch hier wieder mal das Gegenteil von gut.
Was soll dieser Abschnitt der App-Auswahl überhaupt? Im ersten Moment könnten wir glauben, dass Kevin endlich auf den richtigen Pfad zurückgekehrt ist. Das stimmt aber nicht. Denn wenn uns ein Feature gezeigt werden soll, dann wollen wir doch nicht alles sehen, was vorher gemacht werden muss, um das Feature zu nutzen. Um ein Beispiel von oben noch einmal zu verwenden: wir wollen doch bei der Demo eines neuen Mail-Clients nicht erst sehen, wie die ersten 17 Mails ins Postfach geschickt werden, damit uns dann gezeigt werden kann, was wir mit den Mails alles machen können. Sowas muss vor der Demo gemacht werden und steht dann direkt zur Verfügung. Niemand will den Setup-Prozess bei der (Welt-) Premiere des Produkts sehen. - „iPhone und Watch werden jetzt entsprechend unserer gewählten Optionen synchronisiert.“
Kevin erklärt uns jetzt, dass das iPhone und die Apple Watch jetzt synchronisiert werden. Die Apple Watch wird dabei genau so eingerichtet, wie wir es zuvor festgelegt hatten. Es werden auch genau die Apps installiert, die wir gerade ausgewählt hatten. - „Das dauert jetzt natürlich einige Minuten. Der Fortschritt wird auf iPhone und Watch angezeigt.“
Die Info, dass der Synchronisationsfortschritt sowohl auf dem iPhone als auch auf der Apple Watch angezeigt werden, hilft uns leider wenig. Niemand möchte minutenlang dabei sein und auf einen Fortschrittsbalken starren. Niemand. Und ich wette, du warst schon in solchen Produkt Demos. Da bin ich mir ziemlich sicher. Das ganze Publikum starrt auf die Fortschrittsanzeige, die sich nur quälend langsam bewegt. Es kommt uns noch langsamer vor, als es sowieso schon ist. Auch Kevin geht irgendwann der Smalltalk aus, mit dem er kläglich versucht, die Zeit zu überbrücken. Irgendwann starrt er dann auch nur noch auf die Anzeige. Im Saal ist dann eine erdrückende Stille. Glaubt mir, es ist schrecklich. Ich war sogar mal in einer Demo, in der wir zuschauen durften, wie als Teil der Demo erst mal noch der Linux-Kernel kompiliert wurde. Das ist leider kein Scherz. - „Sobald das Ziffernblatt angezeigt wird, ist die Watch bereit zur Nutzung.“
Jetzt ist Kevin wirklich back on track. Die Synchronisation ist abgeschlossen. Es kann losgehen. - „Um zu den installierten Apps zu kommen, muss man einfach auf die Digital Crown drücken.“
Zwar beschreibt es Kevin hier nicht so schön persönlich, wie in der (realen) Apple Variante der Demo, auch hier sehen wir jetzt, wie einfach die Apps auf der Apple Watch angezeigt werden können. Da wir die Hand von Kevin nicht sehen, können wir es es leider nicht so gut nachvollziehen. - „Zum Ansehen aller installierten Apps, muss man an der Digital Crown drehen.“
Kevin setzt natürlich mittlerweile voraus, dass wir alle wissen, was eine Digital Crown ist und wo sie sich an der Uhr befindet. Schließlich hat er uns das gerade ewig lange erklärt. Neben vielen anderen Dingen, die völlig neu für uns sind.
ENDLICH VORBEI! Wir haben es irgendwie bis zum Ende der Feature Demo geschafft. Auch wenn es sich hier um die Beschreibung einer fiktiven Demo handelt, musstest du sicherlich das eine oder andere Mal an eine Demo denken, an der du teilgenommen hast. Vielleicht sogar an die eine oder andere Demo, die du selbst durchgeführt hast. Denn leider sind die meisten Demos typischerweise so.

Bitte darauf achten!
Dir ist bestimmt aufgefallen, dass die letzten drei Schritte exakt den (einzigen) drei Schritten aus der Apple Variante der Demo entsprechen. Denn so einfach könnte es sein. Es geht schließlich um das gleiche Produkt: Die Apple Watch. Schau dir nochmal die beiden Demo Storyboards an, und frage dich, welches Produkt jeweils im Mittelpunkt steht. Im Gegensatz zur Apple Variante ist es in der zweiten Variante vor lauter iPhone-Screens keinesfalls klar erkennbar, dass es hier um die Weltpremiere der Apple Watch geht.
Alle hier gezeigten Schritte müssen immer durchgeführt werden, wenn wir die Apple Watch benutzen wollen. Aber eben nur ein einziges Mal, direkt nach dem Kauf. Das initiale Setup eines neues Produkts ist oft etwas mühselig. Aber nach der Apple Variante der Demo sind wir dazu auch bereit. Denn wir sind ehrlich begeistert. Bei der zweiten Variante bin ich mir nicht so sicher, wie viele wirklich eine Apple Watch mit ihrem eigenen Geld kaufen wollen. Denn das klang alles ganz schön kompliziert. Und das ist genau das Problem. Wir wollen unser Publikum begeistern. Also müssen wir doch zeigen, wie geil unser Produkt ist (oder unser Feature). Wir dürfen nicht direkt gleich zeigen, was alles nach dem Auspacken gemacht werden muss. Erst mal Begeisterung auslösen. Dann können wir irgendwann auch noch „den Rest“ erzählen. Aber wenn wir erst gar keine Begeisterung auslösen, weil wir unser Publikum mit „dem Rest“ vergrault haben, dann können wir die Situation meist nicht mehr retten.
“
You’ll never get a second chance to make a first impression. „
Oscar Wilde
Das ist leider so einfach wie wahr. Konzentriert euch bei einer Demo (zunächst) auf das Wesentliche. Macht die Präsentation so persönlich wie angemessen. Vergesst nie zu erklären, warum ihr jetzt etwas zeigt. Setzt nie voraus, dass euer Publikum etwas schon irgendwie verstehen wird. Das Publikum war eben nicht so intensiv an der Entwicklung beteiligt. Das Publikum setzt sich noch nicht so lange mit dem Produkt auseinander wie das Entwicklungs-Team. Das Publikum spricht nicht die Team-Sprache. Achte auf diese einfachen Punkte und deine nächste Demo wird viel besser laufen. Egal, ob es eine wichtige Demo für Externe ist, oder „nur“ eine interne Demo für dein Team oder dein Management. Demos sind immer wichtig. Und gib auch ehrliches Feedback, wenn dir eine Demo nicht gut gefallen hat. Es hilft nichts und niemandem, wenn am Ende keiner etwas sagt. Nach dem guten Deutschen Motto „Nicht geschimpft ist genug gelobt“ wird das Schweigen nämlich gerne als Begeisterung interpretiert. Das macht es nur noch schlimmer. Denn dann geht das immer so weiter. Spätestens die, die für das Produkt Geld ausgeben sollen, lassen sich aber so nicht überzeugen.
Zum Abschluss noch eine Aussage, die wir immer wieder hören, wenn es um schlechte Produkt Demos geht:
“
Ja, Steve Job war ein begnadeter Präsentator. Und ja, er hatte auf jeden Fall eine Grundbegabung für das Präsentieren. Aber auch Steve hat seine Präsentationen intensiv, im Detail und minutiös vorbereitet. Und mehrfach geprobt. Er wusste, es geht um viel. Da hat er nichts dem Zufall überlassen. Wie bei der Gestaltung „seiner“ Produkte, ist er auch an die Gestaltung seiner Demos gegangen:
“
Es geht nicht darum, wie viel du in eine Demo packen kannst. Es geht vielmehr darum, wie wenig du zeigen musst, um Begeisterung auszulösen.
Der Kevin, der die zweite Demo Variante durchgeführt hat, ist definitiv nicht Kevin Lynch. Kevin Lynch ist auch nicht Tim Cook. Und Tim Cook ist definitiv nicht Steve Jobs. Meiner Meinung nach spielt Tim Cook nicht in der gleichen Liga wie Steve Jobs. Noch nicht mal im Ansatz. Nein, er spielt sogar nicht einmal die gleiche Sportart. Und das ist auch überhaupt kein Problem. Nur ganz, ganz wenige Menschen sind so gut im Präsentieren wie Steve Jobs. Na und? Denn so wie Apple sich für die Demo der Apple Watch an die oben genannten (zum Teil von Steve Jobs geschaffenen) einfachen Regeln hält, so können wir das eben auch machen.
In 99% der Fälle scheitert eine gute Produkt Demo nicht an den Fähigkeiten des Präsentators, sondern am Aufbau der Demo selbst. Dabei kann es so einfach sein.
Das war jetzt mal wieder ein sehr langer Beitrag. Aber du hast es bis zum Ende geschafft. Wenn du noch eine Eigenheit von „typischen“ Präsentationen kennst, die wir hier noch nicht genannt haben, dann schreibe sie doch bitte in die Kommentare.
Marcus
0 Kommentare