“Software is eating the world.” – Die Bedeutung von Kreativität nimmt weiter zu, vor allem in der Wirtschaft. Da es Menschen sind, die Software entwerfen, brauchen wir kreative Menschen, die ihre kreativen Ideen einsetzen, um Anforderungen für neue (digitale) Produkte und (digitale) Dienstleistungen zu erstellen und zu erfinden. Und wir brauchen immer mehr Ideen, da der Innovationszyklus immer kürzer wird. In diesem Beitrag beschreibe ich meine Sicht auf Kreativität (im Digital Design), verrate meine wichtigste Erkenntnis in Bezug auf Kreativität (Kreativität hat mit „Klauen“ zu tun), decke die unangenehmste Wahrheit beim kreativen Arbeiten auf (gemeinsam an einem Ort kann man um Welten besser kreativ arbeiten) und zeige die größte Herausforderung für Kreativität in Unternehmen (aus kreative Erfindungen echte Innovationen machen).
Meine Sicht auf Kreativität (im Digital Design)
Kreativität war in den meisten Bereichen unseres Lebens schon immer wichtig. Doch die Bedeutung von Kreativität nimmt weiter zu, vor allem in der Wirtschaft. „Software is eating the World.“ – Besser als Marc Andreessen kann man es nicht auf den Punkt bringen. Software verändert unsere Welt schon seit langem. Nahezu jede Branche hat sich durch digitale Produkte, digitale Prozesse, digitale Dienstleistungen und digitale Geschäftsmodelle nachhaltig verändert.
Auch wenn sein Artikel von 2011 ist und die darin enthaltenen Erkenntnisse wahrscheinlich noch viel älter, so haben doch (zu) viele Unternehmen, vor allem in Deutschland und dem Rest Europas, Software zu lange immer noch als notwendiges Übel oder nettes Beiwerk zu ihrem Hauptprodukt, dem Auto, der Produktionsmaschine oder dem Gebäude, gesehen.
Aber selbst diese Nachzügler sind längst überzeugt. Mike Cannon-Brookes hat es treffend auf den Punkt gebracht: „Alle Unternehmen passen in eine von zwei Kategorien: Entweder sie werden ein Softwareunternehmen oder sie werden von einem solchen zerborsten.“ Daher müssen Unternehmen ihr Business mithilfe des wichtigsten Innovationstreibers umgestalten: Software.
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All companies fit into one of two buckets: either becoming a software company or being disrupted by one. „
Mike Cannon-Brookes | Furtune Magazine
Software ist aber kein Selbstzweck, sie unterstützt oder ermöglicht immer ein Business. Wir können Software daher in zwei Dimensionen nutzen: Erstens, um bestehende Produkte und Dienstleistungen effizienter und kostengünstiger zu machen. Zweitens, um Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, die es ohne Software gar nicht geben könnte, und damit neue Werte zu schaffen.
Leider konzentrieren sich immer noch zu viele Unternehmen (fast ausschließlich) auf die erste Dimension. Natürlich muss man noch kreativer sein, um Software in der zweiten Dimension zu nutzen. Dennoch fällt es vielen unglaublich schwer, etwas wirklich Neues zu wagen. Vor allem, wenn es sich dabei um etwas handelt, das weitgehend oder sogar ausschließlich digital ist.
Es ist schwer zu sagen, woran das genau liegt. Wahrscheinlich gibt es auch nicht nur einen Grund. Sicherlich trägt in gewissem Maße die Tatsache dazu bei, dass Software immateriell und daher schwer zu verstehen ist. Software folgt zwar nicht den Gesetzen der Physik, aber sie folgt dennoch Regeln.
Martin Fowler hat gesagt: „Software ist nicht durch die Physik begrenzt, wie es bei Gebäuden der Fall ist. Sie ist begrenzt durch die Vorstellungskraft, durch das Design, durch die Organisation. Kurz gesagt, sie ist durch die Eigenschaften der Menschen begrenzt, nicht durch die Eigenschaften der Welt.“ Da es die Menschen sind, die Software entwerfen oder mit Software entwerfen, müssen wir auch bei den Menschen anfangen.
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Software is limited by properties of people, not by properties of the world. „
Martin Fowler | IEEE Software
Wir brauchen also kreative Menschen, Digital Designer, die ihre kreativen Ideen nutzen, um Anforderungen für neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln und zu erfinden, die mit Hilfe von Software umgesetzt werden. Tatsächlich brauchen wir (sehr) viele kreative Menschen, die sich immer mehr kreative Ideen ausdenken, denn der Innovationszyklus wird immer kürzer. Die Kunden verlangen in immer kürzeren Abständen immer mehr Funktionen oder sogar völlig neue Produkte und Dienstleistungen.
Ich beschäftige mich daher schon seit vielen Jahren mit dem Einsatz von Kreativitäts- und Innovationstechniken sowie der Gestaltung von Kreativitäts- und Innovationsworkshops, insbesondere im Rahmen des Requirements Engineering und Digital Designs.
In meiner Zeit am Fraunhofer Institut in Kaiserslautern haben wir im Laufe der Zeit hunderte von Kreativitätstechniken aus dem Stand der Technik und der Praxis analysiert und kategorisiert, um sie in unseren eigenen Kreativitäts- und Innovationsworkshops bestmöglich einzusetzen. Wir stimmen unsere Kreativitätsworkshops immer auf die Problemstellung des jeweiligen Kunden ab und wählen die am besten geeigneten Kreativitätstechniken aus. In den meisten Fällen werden bestehende Techniken leicht angepasst, um noch besser auf die jeweiligen Herausforderungen eingehen zu können. In seltenen Fällen haben wir auch eigene Kreativitätstechniken für bestimmte Herausforderungen entwickelt.
Die Kunden waren dabei schon aus verschiedensten Branchen und Domänen: Landwirtschaft, Versicherungen, Banken, Steuern, Lotterien, Pipeline-Wartung, Kältetechnik, Einzelhandel, digitale Städte und Gemeinden, digitale ländliche Gebiete, intelligente Mobilität, Katastrophenmanagement, Straßenbau, Flugzeugbau, medizinische Einrichtungen, Automobilbau, Fertigung, Gießereien, Dokumentenmanagement, Infotainment, Sportartikel, Energie, chemische Industrie, … und viele mehr.
Über die Jahre habe ich persönlich eine große Anzahl von Kreativitäts- und Innovationssitzungen und Workshops organisiert und moderiert. Die meisten von ihnen waren ganztägige oder sogar mehrtägige Workshops. Um ehrlich zu sein, habe ich die genaue Zahl vergessen, aber es sind auf jeden Fall weit über 100, wobei ich die Workshops, bei denen ich nur Teilnehmer war, noch nicht einmal mitgezählt habe.
Ich habe also wirklich viel gesehen und erlebt im Creativity Business. Jetzt könnte ich eine Menge Dinge aufschreiben, die ich in dieser Zeit gelernt habe, aber in diesem Beitrag möchte ich mich auf 3 Dinge konzentrieren: meine wichtigste Erkenntnis über Kreativität, die unangenehmste Wahrheit beim kreativen Arbeiten und die größte Herausforderung für Kreativität in Unternehmen.
Meine wichtigste Erkenntnis über Kreativität
Wenn ich bei meiner Arbeit mit kreativen Menschen und Kreativitätstechniken eines gelernt habe, dann ist es, dass es bei der Kreativität eigentlich nur ums „Klauen“ geht. Es gibt überhaupt nichts Neues, das nicht auf etwas basiert, das es schon (seit geraumer Zeit) gibt. Ich beziehe mich übrigens nicht nur auf Software, ich beziehe mich auf alles. Schau dir unbedingt meinen Vortrag „IDEAS made of STEAL“ zu diesem Thema an.
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Bei Kreativität geht’s nur ums Klauen. „
Kirby Ferguson hat es perfekt auf den Punkt gebracht: „Everything is a Remix“ . Jeder Song, jeder Film, jedes Buch, jeder Spielfilm und jedes Produkt basiert auf etwas, das bereits vorher existierte. In seiner Dokumentation stellt Ferguson drei Grundelemente von Kreativität vor: Kopieren, Transformieren und Kombinieren (Copy, Transform, Combine). Das bedeutet, dass alles, was wir jemals erfinden (und erfunden haben), auf etwas basiert, das entweder eine Kopie von etwas ist, oder eine Transformation von etwas ist, oder eine Kombination von mehreren Dingen ist, die vorher existierten.
Alles ist ein Remix, und das ist völlig in Ordnung so, wie es ist. Wir brauchen also überhaupt kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn wir uns von anderen Dingen inspirieren lassen, um auf ihrer Grundlage etwas Neues zu schaffen.
Das Einzige, was verwerflich ist, ist eine direkte Kopie von etwas Bestehendem als eigene Kreation auszugeben. In seinem Buch „Alles nur geklaut“ bezeichnet Austin Kleon das als „schlechten Diebstahl“. Und das sollten wir unbedingt vermeiden.
Kreativ zu sein bedeutet also, „einfach“ einen Remix, eine Collage, ein Derivat, ein Zitat, eine Parodie, ein Cut-up, eine Montage, ein Pastiche, ein Cover, ein Mash-up, eine Imitation, eine Appropriation, eine Bricolage, eine Kontrafaktur, ein Remake, eine Transformation, eine Kombination usw. aus Bestehendem zu schaffen.
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Man muss wissen, was sich zu klauen lohnt und von wem. „
Aber um gut „klauen“ zu können, muss man wissen, was sich zu klauen lohnt und von wem. Deshalb habe ich die Grundelemente der Kreativität um eines erweitert: Sammeln (Collect). Wir müssen so viele Dinge und Eindrücke wie möglich sammeln, um sie kreativ verarbeiten zu können.
Meiner Meinung nach ist dies sogar das wichtigste Element der Kreativität, da es am aufwändigsten und am schwierigsten umzusetzen ist. Es bedeutet nicht nur, dass wir den Stand der Technik und der Praxis in unserem Arbeitsbereich gut kennen müssen, sondern auch, dass wir die Geschichte unserer Disziplin sorgfältig studieren müssen.
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Anything that is a true innovation is based on something that is already at least 20 years old. „
Bill Buxton | CHI 2011
Bill Buxton weist darauf hin, dass alles, was eine echte Innovation ist (die dadurch bestimmt wird, dass sie zu einer Milliarden-Dollar-Industrie wird), auf etwas basiert, das bereits mindestens 20 Jahre alt ist. Wir müssen also die Geschichte und die Gegenwart unserer Disziplin sehr gut kennen, um zu wissen, was wir von wem „klauen“ sollten.
Es reicht jedoch bei weitem nicht aus, dass wir mit unserer eigenen Disziplin in unserem eigenen Bereich sehr vertraut sind. Viele, oft sogar die besten Innovationen, entstehen dadurch, dass wir etwas aus einer anderen Disziplin, aus einer anderen Domäne, in unsere eigene übertragen. Dabei geht es nicht nur ums Business, sondern auch um Dinge aus unserer Freizeit. Wir sollten immer mit offenen Augen und Ohren durch die Welt gehen und alles aufsaugen. Erst dann können wir (irgendwann) prüfen, ob es sich lohnt, in unserem Unternehmen etwas darauf aufzubauen.
Wenn Teilnehmer:innen in einem Kreativitäts- & Innovations-Workshop über ein breites Hintergrundwissen verfügen, müssen die Workshop-Moderator:innen „nur“ eines gut machen: die richtigen Trigger (Auslöser) vorbereiten, um die richtigen Erfahrungen bei den Teilnehmer:innen abzurufen, von denen sie „klauen“ können.
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Man braucht ”nur” den richtigen Trigger, um von der besten Erfahrung zu klauen. „
Das klingt leider viel einfacher, als es in der Realität ist. Es ist eine Kunst, den Teilnehmer:innen genau die richtigen Trigger, zu genau der richtigen Zeit, in genau der richtigen Form zu geben. Zu diesem Thema könnte ich mehr als nur einen eigenen Beitrag schreiben, aber eines möchte ich sagen: Es lohnt sich immer, eine sehr divers zusammengesetzte Gruppe in einem Workshop zu haben (Alter, Geschlecht, Rolle, Hierarchieebene, uvm.). Denn wir alle haben unterschiedliche Erfahrungen gemacht und haben unterschiedliches Wissen in den verschiedensten Bereichen. So löst ein und derselbe Trigger die unterschiedlichsten Erinnerungen bei den Teilnehmer:innen aus und sie „klauen“ somit auch sehr unterschiedliche Dinge.
Zusammenfassend lässt sich also eigentlich ganz einfach sagen, dass es bei Kreativität ums „Klauen“ geht und dass es bei Kreativitäts-Sessions darum geht, die richtigen Trigger zum „Klauen“ zu setzen.
Die unangenehmste Wahrheit beim kreativen Arbeiten
Nicht erst die COVID-19-Krise hat uns gezeigt, dass wir im Bereich des virtuellen verteilten Arbeitens noch viel verbessern können. Aber die Krise hat uns gezwungen, diese Verbesserung sofort anzugehen. Manche Arbeiten lassen sich tatsächlich besser verteilt erledigen. Aber es gibt auch Arbeiten, bei denen es von großem Vorteil ist, wenn sich Menschen gemeinsam in einem Raum befinden. Kreative Arbeit fällt meiner Meinung nach genau in die zweite Kategorie.
Viele Kreativitäts- und Innovationstechniken zielen darauf ab, dass Menschen sich gegenseitig anregen und zu immer besseren Leistungen anspornen. Es geht, wie gesagt, um die richtigen Trigger. Und die kommen eben oft von anderen Menschen im gleichen Raum. Ein ganzer Bereich der Kreativitätsforschung beschäftigt sich sogar damit, wie man durch räumliche Gestaltung die kreative Leistung weiter steigern kann.
Die Ausbildung der Moderator:innen zielt in der Regel auch darauf ab, Workshops zu moderieren, bei denen die Teilnehmer:innen an einem Ort, in einem Raum zusammen sind. Vieles von dem, was wir für die Gestaltung und Durchführung von Kreativitäts- & Innovationsworkshops gelernt haben, funktioniert nicht (mehr), wenn diese Workshops nun virtuell verteilt sind und die Teilnehmer:innen allein zu Hause vor ihren Notebooks oder PCs sitzen.
Wer schon mal an einem guten Kreativitäts- & Innovations-Workshop teilgenommen hat, weiß das man die kreative Energie im Raum teilweise spüren kann. Es ist fast magisch. Es läuft meist langsam los, dann fangen alle an, Spaß an der Sache zu haben und irgendwann sind alle in einem kreativen Flow, in dem alles möglich scheint.
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Gemeinsam an einem Ort wird um Welten besser kreativ gearbeitet als verteilt virtuell. „
Ich kenne niemanden persönlich, der ein solches Gefühl auch nur annähernd bei einem verteilt virtuellen Workshop erlebt hat. Wenn es sein muss, können auch Kreativitäts- & Innovations-Workshops verteilt virtuell durchgeführt werden, insbesondere wenn die Teilnehmer:innen schon an vielen Offline-Workshops teilgenommen haben. Aber die Ergebnisse sind um Welten besser, wenn sich die Teilnehmer:innen gemeinsam an einem Ort, in einem Raum befinden und direkt miteinander interagieren können. Diese Wahrheit mag zwar für viele sehr unangenehm sein aber das ändert überhaupt nichts an der Situation.
Obwohl ein gewisser Trend erkennbar ist, dass generell wieder mehr gemeinsam an einem Ort gearbeitet wird, so werden wir in Zukunft sicherlich dennoch weit mehr verteilt virtuell arbeiten als vor der COVID-19-Krise. Und das ist auch völlig in Ordnung so. Wir sollten uns aber ehrlich eingestehen, dass wir gerade wenn es um kreatives Arbeiten geht, besser gemeinsam vor Ort sind. Der Aufwand lohnt sich.
Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass wir jemals in der Lage sein werden, auf verteilte virtuelle Weise so gut kreativ zusammenzuarbeiten, wie gemeinsam an einem Ort. Aber ich bin mir sehr sicher, dass wir viel besser verteilt virtuell kreativ arbeiten könnten, als wir es momentan können.
Hierzu müssen wir aber die Arbeitsbedingungen für verteilt virtuelle kreative Arbeit signifikant verbessern. Wir müssen bestehende Kreativitäts- und Innovationstechniken an diese Situation anzupassen oder völlig neue Techniken zu erfinden.
Darüber hinaus sollten wir auch in die Verbesserung und Entwicklung allgemeiner Werkzeuge und Geräte investieren, die jede Art von virtuell verteilter Arbeit ermöglichen (z. B. Werkzeuge für Besprechungen und Konferenzen). Denn sind wir doch mal ehrlich, da ist noch ganz viel Luft nach oben. Wenn alle Teilnehmer:innen für sich alleine zu Hause sind, dann haben wir alle die gleichen und damit leider momentan auch die besten Bedingungen zum virtuellen Arbeiten. Sobald das aber nur für einige Teilnehmer:innen gilt und andere sich gemeinsam in einem Raum befinden (vielleicht sogar mehrere solcher Gruppen), dann ist das heute eigentlich in den meisten Unternehmen immer noch die Hölle.
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Das hybride Arbeitsmodell ist mit großem Abstand das am schlechtesten technisch unterstützte Arbeitsmodell. „
Und bei gestiegenem Home-Office Anteil ist es doch gerade dieses hybride Arbeiten, mit dem wir es am meisten zu tun haben. Und das ist immer noch mit Abstand das am schlechtesten technisch unterstützte Arbeitsmodell. Da haben leider die meisten Unternehmen die letzten 4 Jahre geschlafen. Die überflüssige Office-Fläche wurde schnell verkauft aber irgendwie hat man wohl vergessen darüber nachzudenken, wie Mitarbeiter:innen unter den neuen Bedingungen langfristig in Zukunft gut zusammenarbeiten. Dass aber alle Teilnehmer:innen eines hybriden Workshops sich in ihre (Home-) Offices zurückziehen, so dass alle mit Headset und Notebook die gleichen Bedingungen haben, darf nicht die Lösung sein. Denn so haben nicht etwa alle gleich gute Voraussetzungen, sondern alle Teilnehmer:innen haben gleich schlechte Bedingungen zum kreativen Arbeiten. Wir verzichten damit auf die offensichtlichen Vorteile von der persönlichen Zusammenarbeit gemeinsamen an einem Ort in einem Raum.
Die größte Herausforderung für Kreativität in Unternehmen
Kreative Menschen sind also eigentlich „nur“ geniale Diebe, die genau wissen, wo und vom wem sie wie klauen können. Aber genau wie gewöhnliche Diebe auch, so klauen wir in den seltensten Fällen für uns selbst. Diebe übergeben ihr Diebesgut an Hehler, die es dann zu Geld machen. Auch hier trägt wieder die Metapher, denn oft ist das Diebesgut ein Vielfaches von dem tatsächlichen Material wert, z.B. bei Kunstgegenständen. Da hängt es jetzt in erster Linie von der Kompetenz und dem Netzwerk der Hehler ab, zu wie viel Geld das Diebesgut gemacht werden kann. Und das Gleiche gilt für unsere Ideen, die wir an unsere Unternehmen übergeben, um daraus jetzt wirklich eine Innovation zu machen. Unternehmen sind aber leider sehr oft miserable Hehler und so bleibt das Potential vieler Ideen ungenutzt.
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Unternehmen sind leider miserable Ideen-Hehler. „
Die größte Herausforderung bei der Entwicklung von bahnbrechenden, revolutionären Lösungen besteht meiner Meinung nach nicht darin, eine kreative Idee zu haben und sie in eine Erfindung zu verwandeln, sondern darin, aus dieser Erfindung eine echte Innovation zu machen.
In allen Workshops, die ich jemals für Unternehmen organisiert und geleitet habe, die eine Innovation für ihre Produkte, ihre Dienstleistungen oder ihr gesamtes Unternehmen entwickeln wollten, war es nie ein Problem, eine Menge kreativer Ideen dafür zu entwickeln. Selbst wenn die Teilnehmer:innen von sich selbst behaupteten, sie seien nicht kreativ, gelang es ihnen immer, eine große Anzahl von (guten) Ideen zu entwickeln.
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Die größte Herausforderung für bahnbrechende Lösungen ist, aus der ursprünglichen Erfindung in eine echte Innovation zu machen. „
Womit sich die meisten Unternehmen jedoch sehr schwer tun, ist zu entscheiden, welche Ideen tatsächlich gut sind, und diese dann auszuwählen und weiterzuverfolgen. Leider habe ich schon oft erlebt, dass Workshop-Teilnehmer:innen die besten Ideen zurückgelassen und aus nicht nachvollziehbaren Gründen (offensichtlich) schlechtere Ideen ausgewählt haben, um mit ihnen im Workshop weiterzuarbeiten. In den meisten Fällen lassen sich die Unternehmen weder während noch nach dem Workshop dazu bewegen, ihre Auswahl zu überdenken.
Noch schlimmer ist jedoch, dass Unternehmen die eigentliche Umsetzungsarbeit ihrer Ideen (unabhängig davon, ob sie gut oder schlecht ausgewählt wurden) nach den ersten Kreativitäts- und Innovationssitzungen viel zu lang aufschieben oder sogar ganz einstellen.
Wir haben schon so oft miterleben müssen, wie großartige Erfindungen einfach nicht weiter bedacht und somit nie zu einer Innovation entwickelt wurden. Nicht selten mussten wir miterleben, wie dann später Konkurrenten eine ähnliche Erfindung umgesetzt und damit ihre Geschäfts- und Marktposition verbessert haben.
Ich möchte daher dringend empfehlen, dass wir bessere Methoden und Techniken entwickeln, um erstens die Auswahl guter Ideen voranzutreiben und zweitens die Umsetzung dieser Ideen in Unternehmen zu verbessern, bis sie zu einer Innovation geworden sind.
Auf diese Weise können wir sicherstellen, dass die genialen Diebe, die kreative Menschen sind, auch über großartige Hehler verfügen, um ihr Diebesgut in Profit zu verwandeln.
Lasst uns uns in diesem Bereich kreativ werden!
Hast Du Ideen, wie wir hybrides verteilt virtuelles Arbeiten verbessern können oder wie wir dafür sorgen können, dass wir mehr unserer Ideen zu tatsächlichen Innovationen machen können? Dann schreib sie bitte in die Kommentare.
[Dieser Beitrag basiert auf einem englischen Position Paper , dass ich für das 10-jährige Jubiläum des CreaRE Workshops 2021 geschrieben hatte (CreaRE 2021: Tenth International Workshop on Creativity in Requirements Engineering, collocated with International Working Conference on Requirement Engineering: Foundation for Software Quality (REFSQ) 2021).]
Marcus
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