Digitale Ökosystem und Plattformen sind vielversprechend und attraktiv. Für die Teilnehmer und vor allem auch für den Betreiber der Plattform. Viele Unternehmen und Organisationen überlegen daher logischerweise, wie sie ein Digitales Ökosystem etablieren und damit eine starke Position im Markt einnehmen können. Chancen gibt es viele, aber schwierig ist es trotzdem.
Obwohl es viel Literatur gibt, obwohl es zahlreiche Vorbilder erfolgreicher Digitaler Ökosysteme gibt und obwohl es auch schon genügend bekannt gewordene gescheiterte Fälle gibt, läuft oft schon der Start nicht rund.
Oft sind es ähnliche Entscheidungen und Herangehensweisen, die zu Problemen führen. Wir greifen in dieser kleinen Artikel-Serie Problembereiche heraus, die uns schon oft begegnet sind. Dazu gibt es Hintergründe und Ursachen und Tipps, wie ihr es gleich richtig machen könnt.
Problem 1: Verloren in den unendlichen Weiten der Möglichkeiten
Es ist Fluch und Segen zugleich, dass es so viele Möglichkeiten gibt. Die schillerndsten Vorbilder zeigen, dass Digitale Ökosysteme gesamte Branchen disruptiv verändern können. Das motiviert. Und lässt große Visionen entstehen. Welches Unternehmen würde schließlich nicht gerne die Branche revolutionieren, in dem es schon lange tätig ist.
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Wir haben viele Fälle gesehen, die direkt das ganz große Ziel ausgerufen hatten. Weniger als Revolution sollte es nicht sein. Und natürlich die ganze Branche umkrempeln, oder sogar mehrere Branchen verknüpfen. Ob es um Mobilität, Bauen, Gesundheit oder Produktion geht: jede dieser Branchen wurde schon x-fach ins Visier genommen.

Meist geht das aber damit einher, dass keine Fokussierung vorhanden ist. Der zur Verfügung stehende Aufwand für Überlegungen und Design ging voll in die Breite, aber nicht in die Tiefe. So wird aber nichts konkret.
Symptome und Konsequenzen
Es entstehen oft Wohlfühlvisionen, die extrem vielversprechend wirken. Aber total abstrakt bleiben. Wie auf einem Wimmelbild. Dieses Wimmelbild erscheint in der Realität, bei Unternehmen und vor allem auch in Forschungsprojekten, häufig als Sammlung von vielfältigen Use Cases, die aus unterschiedlichsten Richtungen zusammengetragen werden. Die die Interessen von zahlreichen Firmen der Branche abdecken. Die teilweise auch total exotisch sind.
Vor allem gibt es aber oft keinen klaren gemeinsamen Nenner im Wimmelbild. Eher abstrakte gemeinsame Nenner wie „Datenhandel“, „Digitale Souveränität“, „Interoperabilität“ oder „Mehrwerte durch übergreifende Daten“. Weil die Versprechen so abstrakt sind, kann auch niemand was dagegen haben, es klingt irgendwie plausibel.

Die Konsequenz dabei ist aber, dass sich bei keinem Beteiligten (weder Organisationen noch Personen) ein wirklich klares Bild formt. Und schon gar nicht das gleiche Bild. Trotzdem wird munter losgelegt und es werden alsbald Prototypen und Proof-of-Concepts für die Use Cases gebaut. So entsteht aber leider nie ein erfolgreiches Digitales Ökosystem. Das kann leider lange so laufen, bis (endlich) jemand kommt, der es genau wissen will. Dann fällt es den Organisationen meist sogar selbst auf, dass etwas nicht stimmt, wenn sie konkret werden müssen.
Tipps, um nicht von der Spur abzukommen
Gutes Design ist harte Arbeit
Ein großes Ziel zu haben ist gut. Aber dann muss es in mühevoller Gestaltungsarbeit fokussiert werden. Über viele Iterationen hinweg. Und wenn die Idee, mit der gestartet werden soll, schon klein erscheint, ist sie für den Beginn wahrscheinlich immer noch zu groß.
Während der Kern herausgearbeitet wird, kommen typischerweise alle möglichen Personen mit großen und großartigen Ideen, was in Zukunft auch noch gemacht werden könnte. Davon nicht ablenken lassen! Die Ideen sollte man alle sammeln, die sind super für später. Aber nicht für jetzt.
Ökosystem-Service herausarbeiten
Als besonders hilfreich hat es sich herausgestellt, ganz konkret den Ökosystem-Service zu designen, der das Ökosystem im Kern ausmacht. Der dann technisch von der Digitalen Plattform umgesetzt wird.
Ein solcher Ökosystem-Service besteht immer darin, dass der Ökosystem-Initiator Assets zwischen Anbietern der Assets und Konsumenten der Assets brokert. Das klingt total einfach.
Wenn man den Ökosystem-Service mit einem solchen einfachen Satz nicht beschreiben kann, dann ist man noch nicht so weit (unserer Erfahrung nach).
Der Weg, bis eine initiale Idee so sauber fokussiert und formuliert ist, ist aber oft hart. Sogar so hart, dass man immer wieder erstaunt ist, selbst wenn man es selbst schon x-fach gemacht und miterlebt hat. Wir sind selbst auch genau diesen Weg gegangen, als wir unser Digitales Ökosystem im Nachhaltigkeitsbereich initiiert haben.
Harmonisierung als zentrale Aufgabe
Wichtig bei der Gestaltung eines Ökosystem-Service: Das Brokering kommt fast immer mit einer Harmonisierung einher.
- Genau diese Harmonisierung löst oft genau das Problem der Zielgruppen (bei Airbnb z.B. kann man egal wie in der gleichen Art und Weise suchen und buchen).
- Genau diese Harmonisierung erlaubt es auch, das Brokering total einheitlich über eine Digitale Plattform laufen zu lassen. Und damit die Skalierung zu ermöglichen, die meist nötig ist, um profitabel zu werden.
- Genau diese Harmonisierung ist es aber auch, die nicht selten schwer zu erreichen ist und große Investitionen erfordert. In technische Lösungen, teils aber auch in menschliche Arbeitskraft.
- Genau diese Harmonisierung ist also auch teuer und langwierig zu erreichen.

Zum Design des Ökosystem-Service gehört also nicht nur, einen perfekt harmonisierenden Service in die Mitte des Bildes zu malen, sondern vor allem auch einen Plan zu haben, wie diese Harmonisierung nach und nach in die Realität gebracht werden kann.
Wenn es einfach wäre, wäre es wahrscheinlich schon da. Wenn es einfach wäre, würde man wahrscheinlich kein echtes Problem lösen, mit dessen Lösung sich gutes Geld verdienen lässt.
Das Lustige ist: wenn man dann durch die ganze harte Zeit und Arbeit durch ist und zu einem guten Design des Ökosystem-Service gelangt ist, dann sieht er auch wieder einfach aus! Und niemand kann sich vorstellen, wie schwierig es war, dort anzukommen.
Balance zwischen Fokus und Vision
Wenn der Fokus jetzt auf etwas Konkretes, Erreichbares da ist, darf der Blick unbedingt wieder geweitet werden. Die Kunst besteht darin, eine gute Balance zu finden zwischen den dem Erreichen des fokussierten Ziels und der Ausrichtung auf die langfristige, größere Vision, die auch immer wieder angepasst werden muss auf Basis der gewonnenen Erfahrungen.

Gerade wenn man Venture Capital braucht (und das brauchen fast alle, die ein Digitales Ökosystem etablieren wollen, dazu in einem späteren Teil der Reihe mehr) braucht man die große Vision, um genügend Relevanz zu demonstrieren und zu zeigen, dass sehr große Umsatzmöglichkeiten bestehen. Gleichzeitig ist aber das konkrete Ziel sehr wichtig, das mit messbaren Kriterien einen Markteinstieg vorzeichnet und einen Product-Market-Fit erreichen möchte.
Lieblingsbeispiel
Eines unserer absolut liebsten Beispiele ist Schüttflix. Sie treiben die Digitalisierung in der Baubranche voran. Mit einem bestechend einfachen und klaren Service-Angebot: Sie vermitteln den Verkauf und den Transport von Schüttgut für Baustellen zwischen Verkäufern und Käufern und binden Spediteure für den Transport mit ein. Mit garantierten Lieferzeiten, mit hoher Qualität. Einfach über eine App.
Klarer Fokus. Klarer Ökosystem-Service. Starke Harmonisierung. Hohe Qualität.
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Christian Hülsewig, CEO Schüttflix

Von dort aus lässt sich dann die Branche in alle möglichen Richtungen weiter angehen. Geographisch oder mit weiteren Ökosystem-Services.
Das war der Auftakt der kleinen Serie. Der nächste Teil folgt bald. Titel wird noch nicht verraten.
Matthias
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