Warum sollte es mit Architektur-Arbeit und insbesondere Architektur-Design anders sein als bei allen anderen Dingen? Man bleibt nur in Form oder wird erst richtig gut, wenn man viel übt.
Die beiden folgenden Zitate bringen das sehr gut auf den Punkt und zeigen gleichzeitig das Dilemma auf: Viel Übung ist zwar wichtig, die Realität im Architekten-Job gibt es aber oft nicht her, weil oft über viele Jahre am gleichen System gearbeitet wird und sich Designarbeit nur noch in engen Grenzen und als Delta zum bisherigen Stand abspielt.
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How do we get great designers? Great designers design, of course. „
Fred Brooks
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So how are we supposed to get great architects, if they only get the chance to architect fewer than a half-dozen times in their career? „
Ted Neward
Genau hier setzen Architecture Katas an. Sie bringen die Möglichkeit mit, sich auch mit überschaubarer Zeit in einen komplett anderen Kontext zu begeben und am Design eines neuen und unbekannten System zu arbeiten. Das kann alleine passieren oder in einer kleinen Gruppe.
Eine schöne Auswahl von Aufgabenstellungen zu Architecture Katas stellt Neil Ford auf seiner Webseite zur Verfügung. Sie können auf seiner Webseite
Wir können es nur empfehlen, hin und wieder eine solche Session einzuplanen und sich in Diskussion zu stürzen. Das geht auch mit einer Zeitlimitierung von nur 30, 45 oder 60 Minuten, dann muss man sich entsprechend ranhalten und gut planen, worauf am meisten Wert zu legen ist. Daran lässt sich zum Beispiel sehr gut erarbeiten und dann einüben, was die absoluten Mindestinformationen an eine Architektur sein sollen, wenn wenig Zeit zur Verfügung steht.
Natürlich bringen die Katas auch einige Einschränkungen mit sich: Die Beschreibung ist vor allem extrem kurz und lässt damit alle möglichen wichtigen Aspekte offen. Das ist aber in der Realität oft nicht anders und dann muss überlegt werden, wie diese Aspekte zu füllen sind. Bei den Katas wird einem niemand die Antworten geben, also müssen die Lücken mit realistischen Annahmen gefüllt werden. Alleine schon dieses Agieren in hoher Unsicherheit hilft vielen, in der Praxis schneller ins Machen zu kommen.
Auch bei Team-Events oder Konferenzen können Architecture Katas eine gute Übung sein, um auch mit anderen in die Diskussion zu kommen und verschiedene Herangehensweisen kennenzulernen. Dabei kann der Scope durchaus auch ausgeweitet werden, um auch das Zusammenspiel mit anderen Disziplinen wie Requirements Engineering oder User Experience Design zu üben. Der Vorbereitungs- und Zeitaufwand ist gering, dafür lernt man vieles und kommt zu zahlreichen Erkenntnissen über die Zusammenarbeit mit Kollegen.
Bei einer Architektur-Konferenz in London konnten wir an einer großen Kata-Session mit ca. 30 Personen in 6 Gruppen teilnehmen. Matthias als Teilnehmer am Design in einer Gruppe, Marcus in der Rolle eines Beobachters der aktiven Kata-Gruppen. Dazu möchten wir gerne einige der Erfahrungen und Erkenntnisse von den Architecture Katas mit euch teilen:
Matthias als Teilnehmer am Design:
- 5 Teilnehmer einer Architekturkonferenz haben mitunter sehr unterschiedliche Auffassungen davon, was Architektur ist und wie man zu einer Architektur kommt 😉
- Man muss eigentlich alles diskutieren: Anforderungen, Scope der Aufgabe, Reihenfolge des Vorgehens, inhaltliche Architekturentscheidungen, Notationen, was soll überhaupt abgeliefert werden?, wer macht was?, …
- Dadurch dass die Katas so kurz formuliert sind, bieten sie erheblichen Ausgestaltungsspielraum, den Informatiker / Architekten / Entwickler natürlich direkt erkennen und zu diskutieren wissen
- Deshalb sind 45 Minuten wirklich kurz, um etwas auf die Beine zu stellen
- Es hat nicht unbedingt der Recht, der am lautesten redet 😉
- Die Aufgabe per Mikrofon weiter zu präzisieren, während 100 Leute schon arbeiten und reden, funktioniert nicht
- Wenn man die Teilnehmer nach Ablauf der Zeit nicht zwingt, aufzuhören, dann machen sie noch 20 Minuten weiter während die ausgewählten Gruppen schon ihr Ergebnis präsentieren müssen
- Es macht einen riesigen Unterschied, wer die Architektur letztlich vorstellt und wie gut er sie erklärt (insbesondere den Kontext, die Überlegungen, Einordnungen, Erklärungen, die alle nicht aufgeschrieben wurden in der kurzen Zeit)
- 5 Leute sind für eine Gruppe zu viel, um gut voranzukommen. Eine Gruppengröße von 2-3 Leuten wäre besser geeignet
Marcus als Beobachter:
- Alle 6 Gruppen sind sehr unterschiedlich vorgegangen.
- Das fängt schon bei der Art und Weise an, wie die Gruppen sich aufgeteilt haben. Allen 6 Gruppen stand ein großer Runder Konferenz-Dinner Tisch sowie 2 Flipcharts zur Verfügung. 2 Gruppen haben sich dazu entschieden, sich um die Flipcharts zu stellen (darunter auch die Gruppe von Matthias). Die anderen 4 Gruppen haben sich an die Konferenztische gesetzt.
- Aus meiner Beobachtersicht heraus kamen die zwei Gruppen, die stehen geblieben sind, schneller voran.
- Die Gruppen an den Flipchart haben auch mehr als ganze Gruppe diskutiert, wohingegen die Gruppen an den Tischen eher in Kleingruppen (2-3er) diskutiert haben.
- Alle Gruppen haben direkt mit fachlichen Diskussionen angefangen. Keine der Gruppen hat sich mit „organisatorischen“ Dingen (direkt am Anfang) beschäftigt (z.B.: Welche Sichten benötigen wir? Sollen wir uns für Teilaufgaben aufteilen? Wer stellt am Ende das Ergebnis vor?)
- Es ging wohl so richtig in allen Gruppen erst voran, als einer oder zwei Gruppenteilnehmer die Initiative übernommen haben.
- Eine Gruppe hat sich sogar trotz der geringen Zeit von 45 Minuten dafür entschieden, einige Dokumente digital zu erstellen und nicht nur am Flipchart.
- Die Repräsentation der Ergebnisse war auch völlig unterschiedlich. Dabei beziehe ich mich nicht nur darauf, was die Gruppen gezeigt haben, sondern auch wie sie es dargestellt haben.
- Man sollte sich gerade in solchen „künstlichen“ Situationen auch direkt damit beschäftigen, wie das Ergebnis am Ende repräsentiert wird.
- Auch die Wahl des Präsentators sollte gut ausgewählt werden, insbesondere, wenn es etwas zu gewinnen gibt.
Welche Erfahrungen hast du gemacht, falls du schon Architecture Katas gemacht hast? Falls nicht, wie würdest du loszulegen? Schreib‘ es einfach in die Kommentare.
Matthias & Marcus
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